Säkularinstitut Notre Dame de Vie in Weisendorf (1957 – 2007)

Von den rund 300 Jahren des Bestehens ist die Geschichte des heutigen Schlosses 150 Jahre lang (1813 – 1957) mit dem Geschlecht der Freiherrn von und zu Guttenberg verbunden. Nach einer kurzen, aber recht turbulenten Phase (1939 – 1956) gelangt das Schloss in den Besitz eines neuen ungewöhnlichen "Geschlechts", dessen Name nicht weniger vornehm klingt als der der Vorgänger: Notre Dame de Vie (Unsere Frau vom Leben). Es ist der Name der neuen Schirmherrin, in deren Dienst sich eine Gruppe von Frauen und Männern stellt.
Am 29. August 1956 fahren zwei Wagen langsam hintereinander um das Anwesen und halten vor dem großen hölzernen Eingangstor des Schlosses. Baronin Elisabeth und Baron von und zu Guttenberg steigen in Begleitung eines Ordensmannes in brauner Kutte und einer vornehm wirkenden Frau aus. Die Unterhaltung verläuft in französischer Sprache. Die Besucher betreten zunächst die Schlosskapelle und der Pater kniet sich vor den Hauptaltar mit der Darstellung des heiligen Josefs und der Mutter Gottes. Unbeweglich verweilt er davor im Gebet versunken. Niemand wagt ihn zu stören. Als er wieder aufsteht, wendet er sich ganz selbstverständlich wieder den Umstehenden zu und lässt sich die Barockkapelle erklären und anschließend durch das Schloss führen. Dieser Besuch des französischen Paters Maria Eugen Grialou und der Mme Pila ist der entscheidende Moment, der dazu geführt hat, dass im September 1957 einige junge Frauen in das renovierungsbedürftige Schloss, eine Schenkung des Barons Karl Theodor von und zu Guttenberg an den Orden des Karmel, Einzug gehalten haben.

Wie kam es zur Gründung des Säkularinstituts Notre Dame de Vie?

Gründungen entstehen meist aus Begegnungen: Im Jahre 1927 ist der Karmelit Pater Maria Eugen 33 Jahre alt, als er zum Prior des Karmel bei Tarascon (Südfrankreich) ernannt wird. Dort begegnet er ein Jahr später drei Frauen, die bei ihm Rat für ihr weiteres Leben suchen.
Wie ist es möglich, ein Leben ganz für Gott und ein Leben auch ganz in der Welt miteinander in Einklang zu bringen? Dieser sehnsüchtige Wunsch nach Einheit von Gebet und Aktion stößt bei Pater Maria Eugen auf ein offenes Ohr. Ist er nicht selbst davon überzeugt, dass der Weg des inneren Gebetes, d.h. die Lehre des Karmel möglichst vielen Menschen erschlossen werden sollte? Dazu braucht es "Helfer" und "Mittler", die durch ihr Gebet und ihr Tun die lebendige Beziehung zu Gott auch dort bezeugen, wo Ordensmänner und -frauen nicht immer hingelangen können. Unter der Leitung des Paters sind die Frauen gewillt, ihr Leben ganz Gott zu weihen und doch auch ganz in der Welt zu leben. Der abgeschiedene, alte marianische Wallfahrtsort "Notre Dame de Vie" (in der Nähe von Carpentras in Südfrankreich) dient ihnen als Ort der Stille, um neue Kräfte für die beruflichen Anforderungen zu schöpfen. "Notre Dame de Vie" wird auch der Name der neu gebildeten Gruppierung sein. Von nun an bildet der regelmäßige Wechsel von Zeiten der stillen Zwiesprache mit Gott und beruflicher Tätigkeit in der Welt den Lebensrhythmus der Gruppe. Nach und nach wächst die Anzahl der Mitglieder und festigt sich. 1947 wird diese neue Lebensform von der Kirche offiziell beschrieben und als Säkularinstitut bezeichnet.

Lebendige Verbindung zur Pfarrei St. Josef

Pater Maria Eugen selbst war es ein großes Anliegen, dass die Mitglieder von "Notre Dame de Vie" die Anbindung an die Pfarreien vor Ort suchen und pflegen. Er selbst nahm bei seinem letzten Besuch in Weisendorf im Jahre 1961 mit großer Freude an der Fronleichnamsprozession teil und trug selbst die Monstranz zum Altar vor dem Schloss. Die ersten deutschen Mitglieder des Instituts waren hauptsächlich in erzieherischen Berufen in der Umgebung von Weisendorf tätig und pflegten den Kontakt zur Pfarrgemeinde. Die tägliche Teilnahme an der Eucharistiefeier war eine Selbstverständlichkeit für sie. Im Laufe der Jahre wurden die Bande zwischen dem Institut und der Pfarrei enger, dadurch bedingt, dass einige Frauen hauptamtlich in der Pfarrei tätig waren. Über 27 Jahre lang leitete Frau Wittmann den katholischen Kindergarten (1970 – 1997).
Aber auch andere Mitglieder des Instituts engagierten sich und engagieren sich bis heute ehrenamtlich in der Pfarrei, sei es im liturgischen Dienst oder in der Kinder- und Jugendarbeit.

Ein besonderer Höhepunkt der Zusammenarbeit zwischen dem Institut und der Pfarrei war das weltkirchliche Großereignis im Jahr 2005. Für den 20. Weltjugendtag kamen etwa 300 Jugendliche nach Weisendorf, die sich über zahlreiche Mitglieder (Priester und Frauen) des Instituts aus acht verschiedenen Ländern zusammengefunden hatten. Für fünf Tage wurden die jungen Gäste großherzig von den Pfarreien Weisendorf und Hannberg empfangen und umsorgt. Ein unvergessliches Erlebnis von Weltkirche für die internationale Jugend, die Pfarreien vor Ort und für die Gemeinschaft von Notre Dame de Vie, die inzwischen auf fast allen Kontinenten vertreten ist!

Was ist das besondere Charisma des karmelitanischen Säkularinstituts Notre Dame de Vie?

In erster Linie dient das Schloss Weisendorf den Mitgliedern als sog. Haus der Einsamkeit, als ein Zuhause, in das sie immer wieder zurückkehren, um sich in einer familiären Atmosphäre zu erholen, einander zu begegnen und im gemeinsamen Gebet und in der Stille neue Kräfte zu sammeln. Zugleich steht das Haus als Ort für die Menschen offen, die eine Vertiefung des Glaubens wünschen. Um den Menschen auf ihrer Suche zu helfen, werden Besinnungstage für Personen aller Altersgruppen angeboten. Zu diesem Zweck wurde auch das ehemalige Ökonomiegebäude des Schlosses in den 90er Jahren in ein Bildungs- und Exerzitienhaus umgebaut. Solch eine Einrichtung ist sicherlich für ein Säkularinstitut recht ungewöhnlich und dennoch ist es ein geeignetes Mittel, die karmelitanische Spiritualität zu verbreiten. Pater Maria Eugen hat die Aufgabe des Instituts immer im Blick auf die ganze Kirche gesehen:

"Das Institut hat seinen Platz in einer Welt, die das Gespür für Gott verloren hat und es vielleicht immer mehr verliert. Sein Auftrag wird umso dringlicher, je mehr Menschen dem Unglauben zum Opfer fallen."

Sei es im Alltag, im Beruf oder in der Verkündigung, es geht immer um das eine:
Vom lebendigen Gott Zeugnis geben! Das ist das eigentliche Charisma des Instituts Notre Dame de Vie. Die Schirmherrin Maria, unsere Frau vom Leben, ist das große Vorbild und Ideal für die Verwirklichung dieser Sendung.

        Ruth Schilling